Deutsch

Für den Deutschunterricht in der Oberstufe an Waldorfschulen gibt es inhaltliche Empfehlungen, die im Vergleich zu den Curricula staatlicher Schulen einen Schwerpunkt in der Behandlung literarischer Werke mit literaturgeschichtlichen Schwerpunkten in der staufischen Klassik (um 1200) und der Weimarer Klassik (um 1800) haben.[1]

Die literarischen Werke kommen dabei nicht als „Bildungsgut“ in Betracht, sondern als Medien der Selbstbildung der Jugendlichen auf Ihrem Entwicklungsweg durch Pubertät und Adoleszenz.

 

Für die 9. Klasse ist eine Epoche zur „Goethezeit“ und eine zur Wirkungsästhetik und den spannungsreichen Gefühlen, die im Komischen und Tragischen geweckt werden, vorgesehen. Für die Klasse 10 ist an eine Epoche zum „Nibelungenlied“ und eine zur Dichtungslehre (Poetik) gedacht, für die 11. Klasse an eine Epoche zum „Parzival“ und eine zur Behandlung von epischen und oder dramatischen Texten, die sich an Leitmotive des „Parzival“ anschließen lassen. In Klasse 12 schließt der Deutschunterricht der Waldorfschulzeit üblicher Weise mit einer Epoche zu Goethes „Faust“ und einer literaturgeschichtlichen Überblicksepoche ab.

 

Diese Empfehlungen werden von den Fachlehrer:innen in einer freien Gestaltung der Unterrichtsinhalte aufgegriffen, die sich u.a. aus den besonderen Bedürfnissen und Interessen einzelner Klassen, aus der fächerübergreifenden Zusammenarbeit oder besonderen Projekten des Schuljahres speisen kann. Im Ergebnis werden die literaturgeschichtlichen Schwerpunkte im Epochenunterricht und den Fachstunden immer so ergänzt, dass sich auch deutliche Akzente im 19., 20. und 21. Jahrhundert ergeben.

 

Im Zuge der „literarischen Bildung“ aber auch ergänzend zu ihr im Umgang mit pragmatischen Texten erweitern und verfeinern die Schüler:innen im Deutschunterricht der Oberstufe ihre Fähigkeiten im informierenden, argumentierenden und interpretierenden Sprechen und Schreiben und eigenen sich dabei auch die Regeln für das Verfassen entsprechender Aufsatzformen an. Auch ein Wiederholen von Hauptbegriffen der Grammatik hat im Deutschunterricht der Oberstufe seinen Platz und wird nun von Reflexionen auf die Sprache als Zeichensystem und Mittel der Kommunikation und Weltdeutung begleitet. Dazu gehört heute selbstverständlich auch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen schriftbasierten und audiovisuellen, analogen und digitalen Medien der Welterschließung und der Kommunikation.

 

Der Unterricht in der Oberstufe ist so angelegt, dass die Schüler:innen die für das Absolvieren der staatlichen Schulabschlüsse erforderlichen Kompetenzen erwerben. Die im Rhythmus von einigen Jahren wechselnden Schwerpunktinhalte der staatlichen Prüfungen werden in Klasse 12 (RSA, FHR) und 13 (Abitur) vertiefend behandelt.


 
[1] Vgl. Tobias Richter (Hg.): Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule, Stuttgart (4. Aufl.) 2016, S. 267 ff.; Heinrich Schirmer: Bildekräfte der Dichtung. Zum Literaturunterricht der Oberstufe, Stuttgart 1993; Rita Schumacher: Deutsch, in: Stephan Sigler, Wilfried Sommer, Michael Zech (Hgg.): Handbuch Oberstufenunterricht an Waldorfschulen, Weinheim/Basel 2018, S. 175 ff.; Hans Paul Fiechter/Rita Schumacher: Poetik. Drei Wege, Kassel 2014; Günter Boss: Individuationswege, Kassel 2018 (2 Bde.).